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Obwohl die Email totgesagt wurde, gibt es Newsletter immer noch. Ich schreibe, einmal im Monat, was sich in meinem Leben zugetragen hat, speziell das Schreiben und das Sprechen betreffend. Klar.

Ich halte den Newsletter frei von Bildern, die gibt es auf Instagram, und mache keine Werbung. Oder, halt: Für nur meine eigene Arbeit vielleicht doch.

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Hier, als Beispiel, der wunderliche Newsletter zum Oktober 2022:


Hallo Vorname!

Im Oktober jeden Tag über 22 Grad und jetzt weiß ich nicht, ob ich mich freuen soll oder mir Sorgen machen. Ich habe mich für das Freuen entschieden, um ehrlich zu sein. Mit schlechtem Gewissen. Blöd.

Viele, viele bunte Stempel

Als unsere Nummer auf dem Display erschien, schritten wir ehrfürchtig in den Saal der Initiation. Ein Dutzend Arbeitsplätze waren hier aufgebaut, die meisten unbemannt, noch mehr unbefraut. Ein Bildschirm, ein Rechner, ein Drucker und ein Barcode, mehr Persönliches war auf keinem Tisch zu sehen, sichtlich bekommen die Beamten jeden Tag einen neuen Platz zugewiesen.

Wir nähern uns, doch werden zurückgewiesen. Erst, als uns zugewunken wird, setzen wir uns andächtig auf die Plätze vor der Plexiglasscheibe. „Documenti“, raunt die Beamtin, die ihren Stuhl mehr als nur ausfüllt. Ich schiebe die benötigten Papiere durch den Schlitz. Von der anderen Seite ist zustimmendes Grunzen zu hören.

Für den Notfall habe ich im Rucksack alle Dokumente und Papiere dabei, die wir überhaupt besitzen. Das hat sich in Italien schon mehrmals als nützlich erwiesen, denn oft stimmen die Beschreibungen auf den Webseiten von Behörden nicht mehr ganz mit der Realität überein.

Dieses Mal ist alles richtig. Jedes Blatt unserer ins Italienisch übersetzten Fahrzeugpapiere und dessen Kopie werden drei Mal gestempelt. Ein roter, ein blauer und ein grüner Stempel. Der Blaue ist schon etwas abgenutzt. Darum wird er tief ins Farbkissen gepresst und mit Extraschmackes auf den Tisch gedonnert. In meiner Erinnerung hebt sich alles im Raum kurz einen Zentimeter vom Boden.

24 Stempel später – ich habe nachgezählt – sind wir fertig. Warum es notwendig war, dass wir in persona erschienen, bleibt ein Rätsel. Jetzt konnte sie nur noch Monate dauern, die nazionalizzazione (Wort mit vier Z. Spreche ich immer falsch aus. Hat nur indirekt mit Nazis zu tun). Dann, endlich, hätten wir für unser Auto italienische Nummernschilder!

Unser Morgenradiomobil heißt jetzt offiziell „GK 672 KB“. Die Eselsbrücke ist „Große Küche – Watergate – kleines Bad“ – das beschreibt unser Haus und eine Zeit, als Skandale genügten, Präsidenten zu Fall zu bringen.

Ab dem Zeitpunkt der Anmeldung in Italien hat man zwei Monate Zeit, sein Auto umzumelden. Sonst drohen drastische Strafen, im Prinzip können die Carabinieri das Fahrzeug jederzeit konfiszieren. Der Prozess selber ist aber, ohne Kontakte in die Regierung, nicht unter sechs Monaten bewältigen. Das wissen auch die Polizisten und drücken alle Augen zu, aber man bewegt sich in einem Grauzustand der rechtlichen Unsicherheit. Das, denke ich, ist für die italienische Bürokratie typisch und erklärt die chronische Unzufriedenheit mit der Verwaltung. Auch das Steuersystem ist ähnlich aufgebaut – doch damit langweile ich erst im April. Aus Gründen.

BTW: Wer denkt, der geschilderte Prozess diene dem Zweck, die Überlegenheit der deutschen Bürokratie zu belegen, hat noch nie beim Kreisverwaltungsreferat in München einen Reisepass beantragt. Kafkaesk!

„Wir, die Anderen“

Ach, was soll der Autor sagen, das noch nicht ein tausend Mal gesagt? Kurz: Nicht fragen, okay? Einfach nicht fragen.

Wunderliche Küchenversuche

„Willkommen in der Hausmannecke dieses Newsletters!“ (*zieht Chefkochschürze an und falschen Schnurrbart*). Dieses Mal geht es darum, wie der Italiener und die Italienerin an und für sich, Gemüse für den Winter haltbar macht. Die Antwort ist: Gar nicht. Die kaufen das ganze Jahr frisches Gemüse im Supermarkt, wie alle Europäer, außer vielleicht die Engländer.

Ich aber wollte unsere Ernte einmachen, so wie man das früher gemacht hat und habe recherchiert. Ich habe einiges versucht. In der Küche gibt es einen Platz für meine Experimente, ich überlege noch, ob ich ein Warnschild anbringe – vielleicht mit einem Fliegenpilzmotiv. Oder einem Totenschädel.

Am überraschendsten waren die Paprika. Peperoni auf italienisch. Peperoni wiederum heißen peperoncini. Verwirrend. Ich habe sechs große Paprika gewaschen, entkernt, in Quadrate geschnitten und gesalzen wie verrückt. In den Topf mit den Salzquadraten habe ich kopfüber einen Teller versenkt, der alles schön abschloss. Auf den Teller kam eine stabile Tasse, auf die Tasse wiederum ein Fünfkilogewicht, das ich seit meinen Bodybuildertagen immer im Inventory mit mir herumtrage.

24 Stunden später habe ich das entstandene Wasser abgegossen und die Paprika trocken gequetscht. (Mit den Händen, sehr umständlich, da muss es doch eine eigene elektrische Maschine dafür geben. Bei Alibaba. „Paprikaquetsche P13. Mit USB-Anschluss, Musikfunktion und eigener Taschenlampe. Nie wieder im Dunkeln und alleine und depressiv Paprika quetschen! € 24,99. Lieferzeit 12 Wochen.“)

Weil das mit dem Topf, dem Teller und dem Fünfkilogewicht so toll geklappt hat, habe ich das noch einmal wiederholt, allerdings ohne neues Salz und mit Weißweinessig statt Wasser.

24 Stunden später habe ich den Essig abgegossen und die Paprika trocken gequetscht. (Aus dem Handbuch der Paprikaquetsche: „Nicht mit Essig in Kontakt bringen. Dafür Du kaufst Modell P21 mit Pulsmesser und Nagelschere. € 44,99. Lieferzeit 12 Wochen.“)

Ich hatte im Vorfeld schon zwei Einmachgläser ausgekocht, Größe 500 ml. Zu den doppelt gequetschten Paprikaquadraten habe ich eine mikroskopisch klein gehackte Knoblauchzehe – soll nur einen Hauch abgeben – und zwei unserer getrockneten Chillis. Mit Kernen. Diese Mischung dann in die Einmachgläser stopfen* und mit Olivenöl auffüllen, bis alle Bläschen entwichen sind. Dann noch eine Schicht mehr, damit kein zersetzendes Sauerstoffatom an die Paprika kann. Heißt ja nicht umsonst „radikal“.

* Zur Kunst des Gemüsestopfens: Wissender, stopfe nicht zu fest, damit man im Winter bequem rauslöffeln kann und nicht zu locker, sonst verbrauchst Du zu viel kostbares Olivenöl. Und Olivenöl ist kostbar, das kannst Du im nächsten Newsletter nachlesen.

Bis nächsten Monat. Möge deine Heizung kostengünstig brummen und deine Dusche verlässlich brausen, bis der Winter vorbei ist!

Dein Oliver Wunderlich