Als der schönste Mann der Welt zu Grab getragen wurde, weinten die Himmel. Im Schaufenster von Frank E. Campbells Bestattungskapelle in Manhattan war dessen Körper ausgestellt. Allen Trauernden sollte an diesem 24. August im Jahr 1926 die Möglichkeit gegeben werden, sich zu verabschieden.
Natürlich hatte Mr. Campbell geahnt, dass ihm diese Beerdigung Publicity bescheren würde. Darum hatte er vier Männer als italienische Faschisten verkleidet, die – angeblich auf Anordnung von Mussolini – die Totenwache hielten.
Doch niemand hatte geahnt, dass – trotz strömenden Regens – über 100.000 Menschen die Straßen bevölkern würden, sich Frauen aus Verzweiflung umbringen, dass die Schaufenster Campbells dem Ansturm nicht gewachsen sein würden. Eine Hundertschaft berittener Polizisten musste die Massen in Bahnen lenken, erst in der Nacht beruhigten sich die Trauernden.
Mit Rodolfo Valentino starb das erste männliche Sexsymbol des Films. Während das erste weibliche Sexsymbol, Theda Bara, von Männern für Männer maßgeschneidert wurde, blieb Valentinos Erfolg den gleichen Entscheidern in den Studios ein Rätsel.
Für Bara wurde das Wort „Vamp“ erfunden, sie sollte der Archetyp der männermordenden Verführerin sein. Für Valentino schuf man den „Latin Lover“. Armselig im Vergleich: Etwas mit „Love“ und, ach, er kommt ja aus Italien.
Die Frage, welche die Studiobosse, aber vor allem junge Männer in den Zwanzigern quälte, war: Was finden die Frauen nur an diesem geschniegelten, pomadigen Tangotänzer im Kostüm eines Scheichs?
Im Frühjahr 1926, kurz vor den Massenszenen der Beerdigung, erschien in der Chicago Tribune ein Artikel, in dem der angeschlagene Stolz der Angelsachsen verteidigt wurde. Man stelle sich vor: In einer Herrentoilette war eine Maschine gesichtet worden, die Schminke spendete. Herrentoilette! Schminke!
Der Untergang des Abendlands drohte, eine ganze Generation von jungen Männern würde verweichlichen und verweiblichen – schuld hätte nur die „pinkfarbene Puderquaste“ namens Rudolph Valentino! Frauen, schaut euch Douglas Fairbanks an, das ist ein Mann!
Aus Valentinos Leben wurde, nach seinem Tod, von Hollywood eine amerikanische Erfolgsgeschichte bekannter Bauart konstruiert: „Als Ausländer fand er selten einen Job und keine Wohnung. Er bettelte vor dem Restaurant um Essen, dass ihn am Tag zuvor als Kellner entlassen hatte. Doch da war diese Sehnsucht, die …“ – yada, yada, yada.
Doch Valentino hatte nicht Erfolg, weil er hart arbeitete, viel gelesen und alle Türklinken in Hollywood geputzt hatte. Er war faul. Im Herzen ein Bankrotteur, dichtete Andrè Heller. Sein Leben lang begegneten ihm – zum rechten Zeitpunkt – Frauen, die sich seiner annahmen.
Er wurde berühmt, weil er schön war.
Das war unmännlich genug.
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